Governance im Verein

Governance ist ein Fremdwort, das sich mittlerweile in Deutschland in verschiedenen Bereichen ausgebreitet hat. Ob in Staat, Wirtschaft oder zivilgesellschaftlichen Organisationen: Governance bezeichnet ein Leitungsverständnis, das dialogisch angelegt ist.

Führen kann heute nicht mehr heißen, Befehle zu erteilen oder „von oben“ durchzuregieren. Einbeziehung vieler Meinungen in eine demokratisch legitimierte Entscheidung ist unverzichtbar geworden.
Governance ist gleichsam die Kunst, Entscheidungen zu treffen, in die möglichst viele Interessengruppen und Personen eingebunden sind. Je breiter ein Konsens gefunden wurde, desto haltbarer ist er, weil sich niemand hintergangen fühlt. Zudem wissen wir um die wichtige Motivation der Mitgestaltung, weswegen sich viele Menschen in einem Verein engagieren. Dieses Bedürfnis soll befriedigt werden, weil es ja auch den Verein weiterbringt. Mehr Meinungen zu hören und Aspekte zusammenzutragen, kann zu besseren Lösungen führen. Und es schafft höhere Identifikation mit dem Verein.
Zweifellos kann aber, gerade wenn dieser Beteiligungsprozess nicht gut gestaltet wird, auch das Gegenteil herauskommen: Entscheidungen werden in endlosen Debatten zerredet.
Governance will diesen Beteiligungsprozess so gestalten, dass sich möglichst viele mit dem Kurs eines Vereins identifizieren können, aber dennoch etwas „rauskommt“. Es geht auch nicht um unnützes „Gelabere“ in machtlosen Gremien, wobei die Führungsriege dann doch macht, was sie will. Governance möchte den Fehler vermeiden, Menschen erst dann um ihre Meinung zu fragen, wenn die Entscheidungen schon getroffen sind. Gerade dann entsteht das Gegenteil von Kooperation, nämlich festgefahrenes Lagerdenken oder frustriertes Abwenden vom Verein.
Das Ziel guter Governance ist also eine konstruktive und rechtzeitige Beteiligung möglichst vieler Interessengruppen, die sich für das Vereinsleben stark machen. Was ist dazu nötig?

Transparenz
Dazu muss zunächst ein hohes Maß an Transparenz geschaffen werden, damit Entscheidungen auch die sachlich richtige Grundlage erhalten. Transparenz schafft Vertrauen, in dem gezeigt wird, dass niemand bei wichtigen Weichenstellungen übergangen wird.

Zielvorgaben, die veränderbar sind
Governance sollte auch Vorgaben machen, die diskutiert werden können. Der Vorstand kann und soll strategische Ziele stecken. Aber sie müssen diskutierbar und abwandelbar sein. Mit einem Wort: Man darf keine unverrückbaren Sachzwänge konstruieren, sondern muss Alternativen zulassen.

Geeignete Beteiligungsformen
Governance schafft dafür Beteiligungsformen, die über die üblichen Gremien wie Mitgliederversammlungen oder Vorstandssitzungen hinausgehen. Der Vorstand agiert nicht alleine, sondern sucht aktiv die Expertise von Mitgliedern und Vereinsumfeld. Das kann eine Vereinsbefragung sein oder Fokusgruppen, ein gemeinsamer Facebookaccount des Vereins oder neue Mitmach-Methoden wie Worldcafé, die zu bestimmten Themen eingesetzt werden.
Aber auch die klassischen Gremien sollten beteiligungsfreundlich gestaltet werden: Haben Mitglieder ausreichend Gelegenheit, sich in einer Vereinsversammlung zu Wort zu melden? Herrscht im Vorstand ein gutes Diskussionsklima, in dem Entscheidungen gemeinsam vorbereitet werden?

Offene Haltung, die Kritik nicht als Angriff begreift
Governance ist gestaltete Offenheit und Beteiligung. Ein Vorstand sollte strategische Ziele vorgeben. Aber er muss sich der Diskussion stellen und diese nicht als Angriff verstehen. Deswegen ist Governance schließlich nur dann glaubwürdig, wenn sie von Leitungsgremien und der Führungsebene als Haltung tagtäglich „vorgelebt“ wird.

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